Naturfotografie und Meditation

von | 13 Apr 2024 | Bummeln beim Fotografieren

 Als Tochter zweier Biologen ist mir die Liebe zur Natur in die Wiege gelegt. Solange ich denken kann, fühle ich mich vor allem von Tieren angezogen. Schon immer spüre ich eine tiefe Verbundenheit, die offenbar nicht alle Menschen teilen. Im Lauf der Zeit hat sich allerdings mein Blick auf die Natur, insbesondere auf die Tierwelt verändert. 

Als ich mit der Wildtierfotografie begann, war mein Interesse noch – so wie ich es gelernt hatte – eher wissenschaftlich. 

Wissenschaftliche Beobachtung: 

Die wissenschaftliche Beobachtung verfolgt einen analytischen Ansatz, bei dem Daten gesammelt, analysiert und interpretiert werden. Es geht darum, das Verhalten und die Eigenschaften von Tieren und ihrer Umgebung zu verstehen. Wissenschaftliche Beobachtun möchte objektive Informationen gewinnen, Theorien entwickeln und unsere Kenntnisse über die natürliche Welt vertiefen. Diese Art der Beobachtung ist methodisch, sie spricht in erster Linie den Verstand an.

Als kleines Mädchen habe ich mit meinem Vater Drosselschmieden gesucht, um etwas über die von mir so geliebten Schnecken zu erfahren. Ich lernte, welche Arten es gibt und wo man sie findet. Die Freude Neues zu entdecken und zu lernen ist bis heute geblieben. Ich freue mich wie ein Kind, wenn es mir gelingt, eine neue Art zu fotografieren – am besten eine, die ich noch nicht kenne. Dann bedeuten Fotografieerfolg und Lernerfolg doppelten Spaß. 

Aus der wissenschaftlichen Beobachtung entstand im Lauf der Zeit wie von selbst eine erlebnisorientierte Beobachtung. Sie ergab sich natürlich aus meiner Freude an der Natur. 

Erlebnisorientierte Beobachtung: 

Die erlebnisorientierte Beobachtung konzentriert sich darauf, die Schönheit und das Wunder der Natur auf einer persönlichen und emotionalen Ebene zu erleben. Es geht weniger um die Erfassung von Daten und Fakten, sondern vielmehr darum, eine Verbindung mit der Natur herzustellen und eine tiefere Wertschätzung für ihre Komplexität und Schönheit zu entwickeln. Es sind die Farben, die Düfte, das Licht und die Möglichkeit, heimliche Zeugin von intimen Momenten im Leben der Tiere zu werden, die mich immer mehr in ihren Bann ziehen. Plötzlich geht es nicht mehr um den Erfolg, es geht um das Erlebnis, das mich mit tiefer Freude erfüllt. 

Farbe

Licht

Und dann wurde mir irgendwann die Ähnlichkeit zur Meditation bewusst: 

Meditation

Ziel jeder Meditation ist die innere Stille und die bewusste Präsenz im Augenblick. Versuche dein Denken zur Ruhe zu bringen, so dass ein Zustand von wacher Stille eintreten kann. Dabei hilft das bewusste Sehen, das bewusste Hören, das bewusste Riechen, das bewusste Atmen. Mache dir jede noch so unbedeutende Kleinigkeit bewusst. Schau genau hin, höre auf jedes kleine Geräusch, nimm die Düfte in der Luft wahr, beruhige deinen Atem zu langsamer Gleichmäßigkeit.  

Tierbeobachtung als Meditation: 

All das unterstützt die Beobachtung von Wildtieren. Denn die sind Meister der Tarnung und darauf spezialisiert, nicht so leicht entdeckt zu werden. Man muss lernen sie zu sehen.

Und sie haben scheinbar einen besonderen Sinn, der uns Menschen abhanden gekommen scheint: sie nehmen auch innere Unruhe wahr. Ich kenne das schon vom Reiten: ein sensibles Pferd brauche ich gar nicht erst satteln , wenn ich nicht innerlich einigermaßen ausgeglichen bin.  Wildtierfotografie funktioniert mit innerer Unruhe erst recht nicht. 

Und so kam Beides für mich zusammen: Wildtierfotografie ist Meditation geworden. Ganz bewusst suche ich Beobachtungsorte auf und beginne eine Meditation: Schau genau hin, höre auf jedes kleine Geräusch, nimm die Düfte in der Luft wahr, beruhige deinen Atem zu langsamer Gleichmäßigkeit. Bringe die Gedanken zur Ruhe und sei achtsam im Augenblick anwesend. Meditation wurde zur Vertiefung der erlebnisorientierten Beobachtung. 

Daraus erwächst nicht nur die schon genannte innere Freude. Es scheint, als ob ich eine Verbindung zu meiner eigenen inneren Natur herstelle und ein Gefühl der Harmonie und des Einsseins erfahre, eine Verbindung mit der Welt um mich herum entwickele.  

Ich liebe dieses Erleben der Verbundenheit. Es spielt keine Rolle mehr, wo ich bin und wie “erfolgreich” ich bin. Jeder Moment ist einzigartig und anders. Verbunden sein bedeutet glücklich sein. 

Das Lustige daran ist, dass genau daraus immer wieder die außergewöhnlichen Momente entstehen. Wenn das Gewöhnliche besonders wird, weil es der Verbundenheit egal ist, ob sie sich mit einer Meise oder einem Adler verbindet, scheint eine Tür geöffnet für das Außergewöhnliche: Ich beobachte Stockenten und entdecke plötzlich zu meinen Füßen zwei Ringelnattern, ich fotografiere Kormorane und da setzt sich ein Eisvogel direkt vor mir auf einen Ast – oder wie in Simeto: ich beobachte Bless- und Teichhühner und habe plötzlich das so seltene Purpurhuhn vor der Linse. 

Ich könnte das jetzt wissenschaftlich mit Lebensräumen und Wahrscheinlichkeiten erklären. Aber es macht viel mehr Spaß, das Leben als ein Wunder zu betrachten und seine Schönheit und Einzigartigkeit zu feiern. 

Hier geht es zum Video: Ein blaues Wunder in der Simeto-Oase

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